SMB: Neue Ansätze zur Aufarbeitung der Provenienzen

Die archäologischen Sammlungen der Staatlichen Museen zu Berlin (SMB) bewahren einen in seiner Vielfalt und Menge weltweit einzigartigen Bestand an Objekten. Deren Provenienzen wollen die Sammlungen in den nächsten Jahren vertieft in den Blick nehmen. In einem gemeinsam und Disziplinen übergreifend erarbeiteten Positionspapier bekennen sie sich zu einem transparenten Umgang mit ihren archäologischen Beständen und zu einer kritischen Aufarbeitung ihrer Provenienzen.

Der Schwerpunkt musealen Handelns lag in der Vergangenheit auf dem Aufbau von Museen sowie der Grundlagenforschung. Heute stellen sich angesichts globaler Veränderungen und der Vielfalt pluraler Gesellschaften neue Aufgaben beim Umgang mit archäologischen Sammlungen. Diese veränderten Herausforderungen nehmen die betreffenden Sammlungen der Staatlichen Museen zu Berlin mit dem neuen Positionspapier in den Blick. Sie befassen sich darin mit zentralen Themenfeldern wie Provenienzforschung, Fragen der Rechtmäßigkeit und ethischen Bewertung sowie der Darstellung von gegenwärtigen und zukünftigen Perspektiven ihrer Arbeit. Das Positionspapier ist Auftakt für eine gemeinsame Forschungsinitiative der Museen.

Im Verbund der Staatlichen Museen zu Berlin bewahren insgesamt neun Museen archäologische Objekte: das Ägyptische Museum und die Papyrussammlung, die Antikensammlung, das Ethnologische Museum, das Münzkabinett, das Museum für Asiatische Kunst, das Museum für Byzantinische Kunst, das Museum für Islamische Kunst, das Museum für Vor- und Frühgeschichte sowie das Vorderasiatische Museum.

Die Erforschung des Herkunftskontexts und der Erwerbungsumstände der archäologischen Sammlungen begreifen die Staatlichen Museen zu Berlin heute als eine ihrer Kernaufgaben. Ziel ist es, den Weg sämtlicher archäologischer Sammlungsbestände von ihrer Auffindung bis zum Eingang in die Museen zu ermitteln. Dies trägt zu einem tieferen Verständnis nicht nur der Objekte, sondern auch der Erwerbungspolitik der Museen und der Institutionengeschichte bei.

Bei der Bewertung der Herkunft archäologischer Objekte werden heute politische, rechtliche und wirtschaftliche Umstände sowie ethische Gesichtspunkte berücksichtigt. Die Erforschung und Bewertung bezieht zudem aktuelle Außenperspektiven mit ein: Die Museen arbeiten mit Partner*innen und Institutionen aus den Herkunftsländern, mit der nationalen und internationalen Zivilgesellschaft sowie der wissenschaftlichen Gemeinschaft zusammen. Mit den Ergebnissen gehen sie transparent um, etwa durch umfangreiche Publikationen und online-Datenbanken. Ein jüngeres Beispiel ist der im Frühjahr 2022 veröffentlichte 7. Band der Reihe Schriften zur Geschichte der Berliner Museen. Darin werden auf Grundlage umfassender Forschung die Grabung der Königlichen Museen zu Berlin auf Samos von 1910 bis 1914 sowie die Umstände der darauffolgenden Fundteilung und des Antikenexports detailliert rekonstruiert.

Die Staatlichen Museen zu Berlin sind sich bewusst, dass Institutionen wie Museen von einer wirtschaftlichen und politischen Ungleichheit mit asymmetrischer Verteilung von Ressourcen gestern und heute profitierten und weiterhin profitieren. Sie stellen sich dieser Vergangenheit und leiten daraus Aufgaben für die Gegenwart und die Zukunft ab. Ziel ist ein zeitgemäßer, verantwortungsvoller Umgang mit den archäologischen Sammlungen. Im Falle problematischer Provenienzen gehen die Staatlichen Museen zu Berlin auf Herkunftsländer zu und erarbeiten gemeinsam mit diesen geeignete Lösungsansätze, zu denen auch die Rückgabe von Objekten gehören kann.

Im März dieses Jahres starteten die Antikensammlung, das Museum für Islamische Kunst und das Vorderasiatische Museum unter Leitung des Zentralarchivs ein mit rund 350.000 Euro vom Deutschen Zentrum Kultur-gutverluste (DZK) gefördertes Projekt. In dessen Rahmen untersuchen die drei Museen gemeinsam mit türkischen Partnern und Institutionen Objekt- sowie Archivbestände, die mit historischen Grabungen auf dem Gebiet des ehemaligen Osmanischen Reichs in den Orten Sam’al, Didyma und Samarra in Zusammenhang stehen. Auf diese Weise soll eine möglichst breite Erforschung der Herkunft kritischer Bestände in diesen drei Museen ermöglicht werden. Bisher fanden vor allem Projekte zu ausgewählten Objektgruppen statt. Nachdem bereits 2019 am Zentralarchiv der Staatlichen Museen zu Berlin eine dauerhafte Stelle geschaffen wurde, die ausschließlich für die Erforschung archäologischer Objekte befasst ist, kann mit dem nun begonnenen Projekt Forschung in einem ganz neuen Ausmaß stattfinden.

Ein wesentlicher Baustein auf dem Weg zu einem transparenten Umgang mit den Provenienzen ihrer Beständen ist die ebenfalls seit 2019 laufende Digitalisierung und öffentlichen Zugänglichmachung sämtlicher Erwerbungsbücher der Staatlichen Museen zu Berlin, die bis heute den Bestandsnachweis der Sammlungen bilden und die wechselvolle Geschichte der Berliner Museen, ihrer Bestände und deren Aufbau widerspiegeln: www.smb.museum/erwerbungsbuecher.

Info: www.smb.museum