ICOM-Nationalkomitee nimmt Stellung zum Verkauf von Kunstwerken aus öffentlichem Besitz
„Museumssammlungen werden für die Öffentlichkeit treuhänderisch verwaltet und dürfen nicht als Aktivvermögen behandelt werden. Gelder oder Ersatzleistungen, die durch Aussonderung oder Veräußerung von Objekten oder Exemplaren aus einer Museumssammlung erlangt wurden, sind ausschließlich zum Nutzen der Sammlung – im Regelfall für Neuerwerbungen eben dieser – zu verwenden.“ (Abschnitt 2.16, ICOM Code of Ethics for Museums) So legen es die weltweit akzeptierten Ethischen Richtlinien für Museen von ICOM fest, die in dem vom Deutschen Bundestag 2007 verabschiedeten Bericht der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ als ausschlaggebende Grundlage der Museumsarbeit auch für die Bundesrepublik Deutschland bestimmt sind.
ICOM Deutschland sieht in der aktuellen Entwicklung einen Bruch der gesellschaftlichen Übereinkunft, dass öffentliche Institutionen keine Veräußerungen aus dem ihnen anvertrauten kulturellen Erbe tätigen dürfen. Die aktuellen Diskussionen – u.a. in Nordrhein-Westfalen – zeigten hingegen eine deutliche Diskrepanz zwischen einem aktiven Verwertungsinteresse und einem offensichtlich schwindenden Verantwortungsgefühl gegenüber dem kulturellen Erbe. Mag auch die bestehende rechtliche Situation fallweise die Verwertungsinteressen nahe legen, so müsse die moralische und gesamtgesellschaftliche Bindekraft der Ethischen Richtlinien alle einschlägigen Entscheidungen auch weiterhin prägen. Angesichts der immer stärker eingeschränkten Möglichkeiten des Direkterwerbs von Kulturgut durch öffentliche Museen und Sammlungen und der dadurch verursachten Zunahme des Einwerbens von Drittmitteln für Ankäufe gelte es ferner, rechtliche Vorsorge zu betreiben, damit zukünftig besondere Eigentumsverhältnisse nicht zum Verkauf oder zum Verlust von Kulturgut aus öffentlichem Besitz führten. ICOM Deutschland appelliert zudem an alle kulturpolitischen Entscheidungsträger in Bund, Ländern und Kommunen, entsprechende Gesetze und Verordnungen zu beschließen, die unter Einbeziehung der Ethischen Richtlinien für Museen von ICOM die dauerhafte Sicherung und Erhaltung des kulturellen Erbes in öffentlichen Museen und Sammlungen eindeutig und rechtlich bindend regeln.
Dr. Michael Henker, Präsident von ICOM Deutschland: „Der Schutz und die andauernde Bewahrung des in öffentlicher Hand befindlichen Kulturerbes muss auch weiterhin oberstes Gebot sein und bleiben und darf weder durch Sparvorgaben noch durch Haushaltszwänge infrage gestellt werden. Es geht darum, den moralisch und ethisch fundierten Generationenvertrag fortzuschreiben, wonach die öffentliche Hand das ihr anvertraute kulturelle Erbe im treuhänderischen Sinn auch für künftige Generationen umfassend zu sichern und zu bewahren hat. Die dazu nötigen einheitlichen rechtlichen Grundlagen müssen geschaffen werden.“
Info: www.icom-deutschland.de