Dürer-Forschung: Aus einem Guss? Von einer Hand? Aus derselben Tinte?
Ein gemeinsames Forschungsprojekt des Germanischen Nationalmuseums (GNM) in Nürnberg und der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) in Berlin untersucht die Zeichentechniken Albrecht Dürers.Seit 2009 beschäftigt sich ein internationales Forscherteam am Germanischen Nationalmuseum mit dem Frühwerk Albrecht Dürers (1471-1528). Einige Ergebnisse wurden von Mai bis September 2012 in einer erfolgreichen Sonderausstellung im Germanischen Nationalmuseum vorgestellt. Doch damit sind die wissenschaftlichen Untersuchungen nicht abgeschlossen. Derzeit erforschen die Kunsthistoriker zusammen mit Naturwissenschaftlern und Technikern rund 50 frühe Handzeichnungen Dürers auf ihre verwendeten Tinten und Wasserzeichen. Moderne Technik wie die Mikro-Röntgenfluoreszenzanalyse (Mikro-RFA) soll helfen, die Entwicklung von der Entwurfszeichnung bis zur Ausführung nachzuvollziehen. Das Projekt wird Ende des Jahres abgeschlossen sein, erste Ergebnisse geben aber schon jetzt einen spannenden Einblick in Dürers Arbeitsweise.Thomas Eser, Leiter der Sammlung Wissenschaftliche Instrumente am GNM: „Viele der Zeichnungen Dürers sind mit Ortsbezeichnungen, Datierungen und Signaturen versehen. Diese Aufschriften werden von der Forschung widersprüchlich beurteilt.“ Wissenschaftler fragen sich, ob die Aufschriften zur selben Zeit wie die Zeichnungen entstanden oder ob sie später von Dürer oder vielleicht noch später von einer anderen Person nachgetragen wurden. Antworten suchen die Mitarbeiter der BAM mit einer zerstörungsfreien Untersuchungsmethode. Der Fachbereich von Oliver Hahn hat ein mobiles Labor weiterentwickelt, mit dem die Natur- und Geisteswissenschaftler von Objekt zu Objekt reisen können. Nützlich und notwendig zugleich, denn die meisten der Kunstwerke Dürers sind zu wertvoll, um sie ins Berliner Labor transportieren zu können.„Eine einzelne Messung mit der Mikro-RFA dauert etwa 30 Sekunden“, sagt Hahn. Dabei werden die Zeichnungen an einer winzig kleinen Stelle mit einem Durchmesser von 50 Mikrometern mit Röntgenstrahlen beschossen. Die Strahlen wandern durch das Material und regen die Probe zu einer Eigenstrahlung an. Die daraufhin wieder austretende Röntgenfluoreszenzstrahlung kann dann gemessen werden. Die Technik verändert die Probe nicht, gibt aber Informationen über ihre Entstehung preis. So konnten die Forscher bereits feststellen, dass Dürer mit Tinte vorzeichnete, was ungewöhnlich ist, denn Tinte lässt sich nur schwer wieder wegwischen. „Das zeugt vom Selbstvertrauen Dürers, der immer schon genau wusste, was er wollte. Korrigieren musste er nur wenig“, sagt Thomas Eser vom GNM. Oliver Hahn von der BAM ergänzt: „Bei vielen der untersuchten Zeichnungen ist das Monogramm Albrecht Dürers, das berühmt ‚AD‘, mit einer anderen Tinte gezeichnet worden als die eigentliche Darstellung. Das bestätigt unsere Annahme, dass das Monogramm oft erst nachträglich hinzugefügt wurde.“In seinen Zeichnungen verwendete Dürer sowohl Eisengallustinte als auch Rußtusche. Rußtusche besteht im Wesentlichen aus Kohlenstoffpartikeln und einem Bindemittel. Die feinen Tasthaare des berühmten Feldhasen sind beispielsweise aus diesem Material, genau wie das Monogramm AD und die Jahreszahl 1502 darunter auf demselben Blatt. Ob es sich um dieselbe Rußtusche handelt, lässt sich allerdings ohne eine Probeentnahme nicht feststellen. Bei Eisengallustinte dagegen handelt es sich um Zeichenflüssigkeit, die aus einer Mischung von Eisensulfat (auch Eisenvitriol genannt) und Gallussäure besteht. Durch die Vermischung mit Wasser entsteht die schwarze Tinte. Eisengallustinten sind aber durch andere Metallsalze verunreinigt. Genau diese Salze geben der Forschung die Möglichkeit, die Tinte eindeutig zuzuordnen.Auf dem Aquarell „Trient von Norden“ im Kupferstichkabinett der Kunsthalle Bremen ist beispielsweise die Beischrift „tryt“ für Trient zu sehen. Nun stellte sich die Frage, ob das Monogramm Albrecht Dürers mit derselben Tinte geschrieben worden war. Untersuchungen ergaben, dass das „AD“ in Eisengallustinten und die Bezeichnung „tryt“ in Rußtusche ausgeführt wurde.Anhand eines Wasserzeichens lässt sich zudem eine ungefähre zeitliche Einordnung des verwendeten Papiers vornehmen. Noch hat die Methodik der Tintenanalyse aber ihre Grenzen: „Eine Datierung können wir bei Zeichnungen noch nicht vornehmen. Es sei denn, wir finden Materialien, die da nicht hineingehören“, sagt Hahn – Materialien, wie sie beispielsweise Fälscher benutzen. Untersuchungen von Kunst- und Kulturgütern sind für die BAM nicht ungewöhnlich. Sie nahm zum Beispiel auch schon die Himmelsscheibe von Nebra oder die Schriftrollen vom Toten Meer, die sogenannten Qumran-Rollen unter die Lupe.Info: www.gnm.de www.bam.de