TextilWerk Bocholt: Historisches Spinnereigebäude neu belebt

Einen Dialog zwischen historischer Bausubstanz und aktuellen architektonischen Akzenten bietet vom 2. September an die ehemalige Spinnerei Herding in Bocholt. Das Industriedenkmal wurde im Auftrag des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe vom Stuttgarter Atelier Brückner für eine Nutzung als Kulturfabrik mit Schaulager, Sonderausstellungsflächen, Veranstaltungsräumen und Gastronomie erschlossen. „Beleben und neu erlebbar machen“ waren die Maxime des Atelier Brückner. So unterstreichen die Architekten mittels gezielter architektonischer Eingriffe die ursprünglichen Funktionszusammenhänge der Fabrik. Form- und Farbsprache wurden aus dem Altbestand heraus entwickelt.Als zentrales Erschließungselement dient eine rot akzentuierte Treppe, die in den 20 Meter hohen Seilgang der ehemaligen Fabrik eingebracht wurde. Über diese eröffnet sich das Gebäude nun entlang der ursprünglichen Energieachse: vom Kesselhaus (Erzeugung der Energie) über das Maschinenhaus (Umwandlung der Energie in Bewegung) und den Seilgang (Kraftübertragung) bis zu den großzügigen Spinnereisälen und der ehemalige Technikzentrale auf dem Dach des Flachbaues (Absaugung der Luft). An ihre Stelle tritt nun ein luftiges Restaurant, dessen vorgehängte Fassade aus stählernen Fäden die Metaphorik der ehemaligen Spinnerei aufgreift. Im Inneren des neuen, gläsernen Kubus erinnert eine Installation aus 88 Deckenleuchten der 1950er Jahre an diese wichtige Zeitphase der Fabrik.Ein Zwiegespräch zwischen aktueller Nutzung und historischem Bestand entwickelt sich auch auf den darunter liegenden vier Etagen des insgesamt rund 6.000 Quadratmeter umfassenden Gebäudekomplexes. Zum Bestand, der als Zeitdokument mit all seinen Nutzungsspuren erlebbar bleibt, tritt eine gleichwertige, neue Zeitschicht. Die Funktionsräume, zu denen Shop, Counter, Garderobe, Catering und WC-Bereiche zählen, sind als eigenständige Elemente in den Industriebau eingebracht. Ihre hellgraue Oberfläche hebt sich von der heterogenen Umgebung ab, während ihr Inneres jeweils eine Farbe der historischen Raumfassung aufgreift: Blau, Rot, Grün, Weiß und Schwarz. Auch die mobile Möblierung setzt auf diese Farbtöne.Insgesamt flossen 5,9 Millionen Euro in Sanierung und Ausbau des 1907 errichteten Gebäudekomplexes, in dem, unterbrochen von Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg und dem Wiederaufbau in den 1950er Jahren, bis 1973 hochwertige Garne produziert wurden. Das Thema Textil wird folgerichtig auch zum Leitthema des Kulturprogramms in diesem Haus. Gleichzeitig mit der Eröffnung des Gebäudes als Kulturzentrum präsentiert der Landschaftsverband die erste Sonderausstellung mit Werken der Künstlerinnen Magdalena Abakanowicz und Laura Ford.Info: www.atelier-brueckner.com